III. Die Verkehrssicherungspflicht im Straßenbau und -verkehr 1. Allgemeines Nach einer kurzen Einleitung und allgemeinen Ausführungen zum Begriff der Verkehrssicherungspflicht kommen wir nun zur Thematik der Verkehrssicherungspflicht im Straßenverkehr, insbesondere im Straßenbau. Bei Bauarbeiten im çffentlichen Straßenbau müssen zahlreiche Pflichten beachtet werden. Zu diesen Pflichten zählt auch die im vorigen Kapitel erläuterte Verkehrssicherungspflicht. Die Pflicht zur Verkehrssicherung beginnt bereits mit der Aufnahme der Bauarbeiten. Daher bedarf es auch keiner ausdrücklichen Haftungsregelung oder sonstigen Normierung der Verantwortung; diese ergibt sich bereits aus der Begründung einer potenziellen Gefahrenquelle. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht daher für alle Personen, die sich im Rahmen eines Bauvorhabens für eine mçgliche Gefahr verantwortlich zeichnen. Zu den Verpflichteten zählen zum Beispiel der Auftraggeber des Bauvorhabens, Auftragnehmer, Nachunternehmer wie auch Architekten, Planer und Überwacher des Baus. Auf der anderen Seite stehen die Schutzbedürftigen. Zu dieser Gruppe gehçren alle, die mit der Baustelle im çffentlichen Raum in Berührung kommen, also sowohl Baustellenarbeiter als auch Verkehrsteilnehmer.1) Beispiele aus der Rechtsprechung: K Auch bei unbefugter Benutzung bzw. Betreten der Baustelle kann eine Haftung der Verpflichteten gegeben sein, wenn mit einem Fehlverhalten zu rechnen ist. Dies ist vor allem bei Kindern relevant.2) K Hat sich jedoch eine atypische Gefahr verwirklicht, mit der der Verpflichtete nicht rechnen musste, kann dies zur Haftungsfreiheit führen.3) 2. Verkehrssicherungspflichten im Straßenbau Beim Betrieb von Baustellen im çffentlichen Straßenverkehr bestehen mehrere Arten von Verkehrssicherungspflichten. Zum einen kommt die Pflicht zur Sicherung des çffentlichen Straßenverkehrs vor der Baustelle zum Tragen. Zum anderen besteht auch die Verpflichtung, für Sicherheit auf der Baustelle selbst zu sorgen. Die konkreten Pflichten ergeben sich zum einen aus dem anerkannten, aktuellen Stand der Technik. Zum anderen ergeben sie sich aus den einschlägigen Vorschriften, die den ordnungsgemäßen Betrieb einer Straßenbaustelle zum Inhalt haben. Maßgeblich ist zunächst die Vorschrift des § 45 StVO. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 StVO kann die zuständige Straßenverkehrsbehçrde zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und III. Die Verkehrssicherungspflicht im Straßenbau und -verkehr 14 Deichmann+Fuchs . Business Solutions 1) Vgl. van Dyk, Die Verkehrssicherungspflicht im Straßenbau, Straße und Autobahn 8.2020, S. 664. 2) BGH, Urt. v. 14. 3. 1995 – VI ZR 34/94, VersR 1995, 672. 3) BGH, Urt. v. 10. 3. 2013 – VI ZR 369/12, NZV 167.
zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen anordnen, den Verkehr umleiten und ihn durch Markierungen und Leiteinrichtungen lenken. Straßenverkehrsbehçrde ist gemäß § 44 StVO die durch das jeweilige Landesrecht bestimmte, zur Ausführung der Straßenverkehrs-Ordnung zuständige untere Verwaltungsbehçrde. Die sachliche Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehçrden ergibt sich aus § 44 Abs. 1 StVO. Demnach sind zur Ausführung der Straßenverkehrs-Ordnung die Straßenverkehrsbehçrden sachlich zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 45 Abs. 6 StVO schreibt vor, dass die Bauunternehmer vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans von der zuständigen Behçrde Anordnungen darüber einholen müssen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Die Bauunternehmer haben diese Anordnungen zu befolgen und die Lichtzeichenanlagen zu bedienen. Neben den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und den Haftungsvorschriften des BGB sind weiterhin auch die „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA) zu beachten. Die derzeit aktuelle Fassung sind die RSA 21. In den RSA 21 werden die konkreten Anforderungen an die Sicherung einer Straßenbaustelle beschrieben. Sie wurden am 15. Februar 2022 verçffentlicht und haben damit die über 25 Jahre gültigen RSA 95 abgelçst. Nach einem allgemeinen Teil A sind die RSA 21 in drei Hauptteile gegliedert, die sich jeweils mit innerçrtlichen Straßen (Teil B), Landstraßen (Teil C) und Autobahnen (Teil D) befassen. Für alle drei Hauptteile wurden jeweils unterschiedliche Regelpläne vorgelegt. Ziffer 1.1 Absatz 1 in Teil A der RSA 21 definiert Arbeitsstellen (Baustellen) als Stellen, bei denen Verkehrsflächen vorübergehend für Arbeiten abgesperrt werden, wobei Anlass hierfür Arbeiten an der Straße selbst, neben oder über der Straße, an Leitungen in oder über der Straße sowie Vermessungsarbeiten sein kçnnen. Nach Ziffer 1.1 Absatz 2 dienen Sicherungsmaßnahmen der sicheren Führung des Verkehrs im Bereich von Arbeitsstellen. Die Verkehrssicherungspflicht auf Baustellen wird in Ziffer 1.3 Absatz 8 geregelt. Verkehrssicherungspflichtig sind das Bauunternehmen und der Straßenbaulastträger. Hinzu kommt noch die Verkehrsregelungspflicht der Straßenverkehrsbehçrde. Die Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmens gilt für den gesamten Bereich der Arbeitsstelle. Sie ist erst beendet, wenn der Bauunternehmer nicht mehr die tatsächliche Herrschaft über den Baustellenbereich ausüben kann.1) III. Die Verkehrssicherungspflicht im Straßenbau und -verkehr Deichmann+Fuchs . Business Solutions 15 1) Vgl. van Dyk, Die Verkehrssicherungspflicht im Straßenbau, Straße und Autobahn 8.2020, S. 665.
Grundstückes durch die Einrichtung einer Fußgängerzone Einbußen erleiden kann, sind erleichterte Maßnahmen zugunsten des Anliegers, damit dieser sein Grundstück ohne große Schwierigkeiten erreichen kann, angemessen.1) Wurde ein çffentlicher Verkehrsweg teilentwidmet und bleibt der Lieferverkehr weiterhin gestattet, kann durch ein Zusatzschild dem Anlieger eine umfangreiche Zufahrt zu seinem Grundstück gewährt werden. Die aus Gründen der Existenzsicherung durch Zusatzschild dem Anlieger erteilte Ermächtigung bedeutet in Wahrheit eine teilweise Rücknahme der Entwidmung.2) In Kurzonen kann das allgemeine Wohl sogar ein saisonales befristetes Fahrverbot für Anlieger rechtfertigen.3) 9. Arbeiten im Straßenraum (§ 45 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StVO) Die Aufgaben des § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVO gestatten im Interesse der Zweckerreichung eine abgewogene Entscheidung über eine Verkehrsbeschränkung. Bei dieser Entscheidung über die Beschränkung des Verkehrs sind die dadurch bedingten Auswirkungen auf andere Straßen zu berücksichtigen, wobei aber die Rechtmäßigkeit dieser Verkehrsbeschränkung nicht davon abhängt, dass alle von der Beschränkung betroffenen Straßen im gleichen Maße belastet sind.4) Die Sperrung eines Taxenstandplatzes aus Lärmschutzgründen zur Nachtzeit unter gleichzeitiger Einrichtung eines Ersatzplatzes, der in der Nähe des alten Taxenstandplatzes gelegen ist, stellt regelmäßig eine Entscheidung ohne Ermessensfehlgebrauch dar.5) Die Verkehrsbeschränkung zum Schutz vor Lärm und Abgasen (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO) betrifft nur Kraftfahrzeuge, keine Straßenbahnen. Das ergibt sich aus der Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 3d StVG, wonach zum Schutze der Wohnbevçlkerung und der Erholungssuchenden gegen Lärm und Abgase durch den Kraftfahrzeugverkehr und über die Beschränkung des Verkehrs an Sonn- und Feiertagen Rechtsverordnungen (RVO) erlassen werden kçnnen. Die StVO kann in § 45 StVO nicht über die Ermächtigungsnorm des StVG hinausreichen.6) 10. Schutz der Wohnbevçlkerung (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO) Was unzumutbarer Lärm ist oder was eine unzumutbare Abgasemission ausmacht, entscheidet das pflichtgemäße Ermessen der Straßenverkehrsbehçrde.7) Die Tatbestandsmerkmale in § 45 Abs. 1 Nr. 1 StVO „beschränken“ und „verbieten“ gestatten eine sachliche und auch zeitliche Differenzierung. IV. Wichtige Vorschriften 52 Deichmann+Fuchs . Business Solutions 1) OVG Lüneburg VerkMitt 1979, 77. 2) BVerwG NJW 1982, 840. 3) BVerwG NJW 1980, 354. 4) VGH Mannheim NZV 1989, 341. 5) OVG Koblenz DAR 1985, 391. 6) BVerwG NZV 2000, 309. 7) BVerwG NZV 2000, 386; VGH Kassel NJW 1989, 2767.
In der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehçrde ist das besondere Interesse der Bewohner an ungestçrter Nachtruhe zu würdigen, da eine gestçrte Nachtruhe unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit hat.1) Die Straßenverkehrsbehçrde hat neben der Funktion der Straße, von der die Emission ausgeht, und der Freizügigkeit den Schutz der Wohnbevçlkerung insbesondere auch zur Nachtzeit abzuwägen.2) Damit die Entscheidung der Behçrde ermessensfehlerfrei ist, muss sie von zutreffenden Voraussetzungen ausgehen. Legt die Behçrde der Entscheidung etwa über ein Durchfahrtsverbot ein Gutachten zugrunde, das eine bestimmte Absenkung des Lärmpegels prognostiziert, und stellt sich diese Absenkung des Lärmpegels nicht ein, war die Anordnung des Durchfahrtsverbots rechtswidrig.3) Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn aus Gründen des Lärmschutzes kann ermessensfehlerhaft sein, wenn wichtige Gesichtspunkte, die für eine geringere Beschränkung der Geschwindigkeit sprechen, unberücksichtigt geblieben sind.4) Andererseits ist eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf der Autobahn auf 80 km/h wegen Lärm- und Abgasschutz nicht fehlerhaft, sofern die Planung der Autobahn abgeschlossen war, bevor die Wohnbebauung bis dicht an die Autobahn heranrückte.5) Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO verlangt nicht, dass ein gewisser Schallpegel erreicht wird, vielmehr gewährt die Vorschrift schon Schutz, wenn Lärm und/oder Abgasbelästigungen einen Stand erreichen, der unter Berücksichtigung der çrtlichen Verhältnisse und der Belange des Verkehrs sowie den schutzwürdigen Interessen Einzelner nicht mehr ortsüblich und deswegen unzumutbar ist.6) Ein Lärm, der nicht unmittelbar vom Kraftfahrzeugverkehr herstammt, bleibt i. S. v. § 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO außer Betracht, so etwa, wenn der Lärm von der Bahn herrührt7) oder von einer Straßenbahn herstammt.8) Überdies setzt auch Verkehrslärm, der von einer Bundesstraße oder einer Autobahn herrührt, eine schwerwiegende Lärmbelästigung voraus, soll eine Landesstraßenverkehrsbehçrde auf eine Beschränkung eines Bundesverkehrsweges, der innerhalb der widmungsgemäßen Nutzung stattfindet, einwirken.9) Wird ein bestimmter Lärmpegel ausweislich einer Messung überschritten, besteht noch kein Anspruch auf Schutzmaßnahmen.10) Die Lärm- und Abgasvorschriften dienen zwar IV. Wichtige Vorschriften Deichmann+Fuchs . Business Solutions 53 1) OVG Münster VBl. 81, 220. 2) VGH Kassel NJW 1989, 2767. 3) OVG Bremen VRS 119, 172. 4) VGH München DAR 1984, 62. 5) VGH München DAR 1984, 62. 6) BVerwG NJW 2000, 2121; VGH Kassel NJW 1989, 2767. 7) OLG München DAR 1996, 112. 8) OVG Münster VRS 97, 149. 9) OVG Münster NVwZ-RR 98, 627. 10) BVerwG NZV 1994, 244; VGH München NZV 1999, 269.
nur beschränkt dem Individualschutz, gewähren aber dem Einzelnen dennoch einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung seitens der Straßenverkehrsbehçrde.1) Entscheidend ist, dass der Lärm eine Beeinträchtigung hervorruft, die jenseits dessen liegt, was im konkreten Fall als ortsüblich noch hingenommen werden muss.2) Auf den Umfang der Beeinträchtigung soll es danach nicht ankommen; abzustellen ist lediglich darauf, dass der Lärm von rechtswidrigem Verkehr erzeugt wird, weil eine Straße zum Beispiel für Kfz gesperrt ist. Die Gemeinde soll in derartigen Fällen verpflichtet sein, die Straße durch Pfosten oder eine Schranke zu sperren. Weigert sie sich, kann der Bürger Verpflichtungsklage erheben. Wichtig: Derartige, oft als Schleich- und Abkürzungswege benutze Straßen, häufig landwirtschaftlich genutzte Wege, gibt es viele in Deutschland. Würde sich die o. g. Rechtsprechung durchsetzen, würden sehr viele entsprechende Verpflichtungsklagen erhoben werden. Unter Kostengesichtspunkten wäre manche Gemeinde sicher versucht, den bisherigen rechtswidrigen Verkehr einfach rechtmäßig zu machen, indem das Durchfahrtsverbot entfernt wird. In bußgeldrechtlicher Hinsicht ist es gleichgültig, ob die Geschwindigkeitsbegrenzung aus Gründen der Verkehrssicherheit oder aus Gründen des Lärmschutzes angeordnet worden ist. Dabei ist nicht nçtig, dass der Betroffene den Grund für die Lärmschutzmaßnahme hat erkennen kçnnen. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen der Bußgeldkatalog-Verordnung vor, wird eine grobe Pflichtverletzung (mit der Folge der Verhängung eines Fahrverbots) unabhängig vom Grund der Verhängung der Verkehrsbeschränkung anzunehmen sein.3) Wird die Konzentration von Schadstoffen in der Luft so hoch, dass aufgrund von Messungen eingeschritten werden muss, ist die Rechtsgrundlage dafür § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), § 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO ist insoweit nicht anzuwenden.4) 11. Schutz der Gewässer mit Heilquellen (§ 45 Abs. 1 Nr. 4 StVO) Die Vorschrift beruht auf der Ermächtigung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 StVG, die inzwischen weggefallen ist. Da der Wegfall der Ermächtigungsnorm durch eine Gesetzesänderung aber die hierauf beruhende Norm einer Rechtsverordnung in ihrem Bestand nicht IV. Wichtige Vorschriften 54 Deichmann+Fuchs . Business Solutions 1) BVerwG NZV 1994, 244; OVG Bremen VRS 79, 317; VGH Kassel NJW 1989, 2767; VGH München NZV 1999, 269. 2) OVG Münster VRS 105, 233). Weiter geht die Entscheidung des VG Würzburg (NZV 2010, 111). 3) OLG Bamberg, DAR 2007, 94. 4) OVG Münster NVwZ-RR 98, 627.
berührt,1) gilt § 45 Abs. 1 Nr. 4 StVO weiter. Verkehrsbeschränkungen, die zum Schutz von Gewässern ergehen, sind durch § 45 Abs. 1 Nr. 4 StVO gedeckt. 12. Maßnahmen zur Erhaltung der çffentlichen Sicherheit (§ 45 Abs. 1 Nr. 5 StVO) Diese Bestimmung rechtfertigt Verkehrsbeschränkungen im Interesse des Verkehrs, nach ihrem Wortlaut aber auch Verkehrsbeschränkungen zum Schutze von Rechtsgütern, die außerhalb des Verkehrsrechts liegen.2) Die Maßnahmen der Verkehrsbeschränkung zur Erhaltung der çffentlichen Sicherheit reichen daher in die Bereiche der allgemeinen polizeilichen Prävention. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 StVO kçnnen Haltverbote für Fahrzeuge zum Zwecke der Verhinderung von Bombenanschlägen angeordnet werden.3) Auch die Gesundheit der Bürger kann durch Verkehrsbeschränkungen geschützt werden.4) Im Bereich eines Besucherbergwerks kann eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet werden, wenn dadurch Erschütterungen und damit die Tagesbruchgefahr vermindert werden.5) 13. Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie die Erprobung geplanter Maßnahmen (§ 45 Abs. 1 Nr. 6 StVO) Verkehrsbeschränkungen dieser Art dienen allenfalls mittelbar der Verkehrssicherheit. Bei der Erforschung des Unfallgeschehens ist eine endgültige Regelung als Endprodukt der zur Erforschung getroffenen Maßnahme nicht erforderlich.6) Deswegen kann auch die Eignung straßenrechtlicher Maßnahmen erprobt werden.7) Die Erforschung des Verkehrsverhaltens von Verkehrsteilnehmern verläuft im Rahmen der jeweiligen Widmung des Verkehrsweges. Für eine straßenrechtliche Maßnahme bietet § 45 Abs. 1 Nr. 6 StVO keine Grundlage.8) III. Beschränkung des Straßenverkehrs in Bade- und Luftkurorten (§ 45 Abs. 1a Nr. 1–4b StVO) Sofern die in § 45 Abs. 1a Nr. 1 bis 4b StVO genannten Einrichtungen durch den Fahrverkehr so erheblich belästigt werden, dass ihre eigene Aufgabenstellung als Badeund heilklimatischer Ort, als Luftkurort oder als Erholungsort nicht mehr wahrgenomIV. Wichtige Vorschriften Deichmann+Fuchs . Business Solutions 55 1) BVerwG NJW 1990, 849. 2) BVerwG DAR 1999, 471. 3) BVerwG NZV 1993, 94. 4) BVerwG DAR 1999, 471. 5) VG Regensburg VRS 118, 371. 6) OVG Münster NZV 1996, 214. 7) VG Mannheim NZV 1995, 45. 8) VGH Mannheim NZV 1995, 45.
men werden kann oder doch Schaden nimmt, kann der Straßenverkehrsbehçrde nach § 45 Abs. 1 StVO obliegen, Verkehrsbeschränkungen anzuordnen. Das gilt auch bei Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen, und für kulturelle Veranstaltungen außerhalb des Straßenraumes, die durch den Lärm des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt würden. In Kurzonen sind Verkehrsbeschränkungen auch dann zulässig, wenn der Fahrverkehr nur ein niedriges Dauergeräusch, aber ein hohes Spitzengeräusch hervorbringt.1) In Kurorten kann der Verkehr, wenn die Belästigung nicht anders beseitigt werden kann, auch für ganze Ortsteile ausgeschlossen werden.2) Als mildere Maßnahme kann ggf. auch ein Nachtfahrverbot in Erwägung gezogen werden.3) IV. Notwendige Anordnungen (§ 45 Abs. 1b StVO) 1. Gebührenpflichtiger Parkplatz (§ 45 Abs. 1b Nr. 1 StVO) Die Vorschrift ermächtigt zum Erheben von Gebühren von dem Augenblick an, da mit dem Eintreffen von Besuchern einer Großveranstaltung zu rechnen ist.4) Nur bei Großveranstaltungen dürfen gebührenpflichtige Parkplätze von der Straßenverkehrsbehçrde durch eine Anordnung geschaffen werden, dagegen nicht außerhalb von Großveranstaltungen für den ruhenden Verkehr. 2. Parkmçglichkeiten für Behinderte, Fußgänger (§ 45 Abs. 1b Nr. 2–5 StVO) Wird seitens der Straßenverkehrsbehçrde im Rahmen ihrer Anordnungen in die straßenrechtliche Widmung zum çffentlichen Verkehrsweg eingegriffen, muss die Straßenverkehrsbehçrde zunächst die entsprechenden wegerechtlichen Verfügungen veranlassen.5) Das bedeutet regelmäßig, dass die Straßenverkehrsbehçrde die Anordnungen im Einvernehmen mit der Gemeinde vornimmt, jedoch steht der Gemeinde lediglich ein Vetorecht gegen eine ihr unerwünschte Anordnung zu.6) Aufgrund der Landesrechte kçnnen in Städten Fußgängerzonen eingerichtet werden. Das Straßenverkehrsrecht schließt die damit verbundene Einschränkung der Widmung von Ortsstraßen nicht aus.7) Dagegen herrscht im verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325/326) weiterhin Fahrverkehr, weshalb insoweit keine Einschränkung der Widmung gegeben ist. IV. Wichtige Vorschriften 56 Deichmann+Fuchs . Business Solutions 1) OVG Lüneburg GewArch 79, 275. 2) BVerwG VRS 63, 232. 3) OLG Celle NJW 1967, 743. 4) OLG Kçln NZV 1992, 200. 5) BVerwG NJW 1982, 840. 6) BVerwG NZV 1994, 943. 7) BVerwG NJW 1975, 1528 = VRS 48, 400.
20. Verkehrssicherungspflicht für Baugrube in der Straßenmitte (Kammergericht Berlin, Urteil vom 5. 10. 2009 – 12 U 195/08, BeckRS 2010, 8922) 1. Der Verkehrssicherungspflichtige einer Straßenbaustelle (Baugrube in der Straßenmitte) muss die Gefahren ausräumen oder vor ihnen warnen, die für den Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag. 2. Bei einer Baugrube in der Straßenmitte mit einer Tiefe von bis zu 20 cm, einer Länge von 2–3 m und einer Breite von ca. 1,5 m reicht eine Absicherung mit 15–28 cm hohen Sichtzeichen (Warnhütchen) zusammen mit einer gelben Fahrbahnmarkierung etwa 6 m vor der Baugrube auch dann nicht aus, wenn vor der Baustelle die Zeichen 123 und 121 zu § 40 StVO (Baustelle und Fahrbahnverengung) sowie durch die Zeichen 276 und 274 zu § 41 StVO, ein Überholverbot und eine Hçchstgeschwindigkeit von 30 km/h angeordnet wird; vielmehr sind ein einem solchen Fall Warnbaken mit Signalleuchten erforderlich. 3. Gerät der Kraftfahrer mit nicht angepasster Geschwindigkeit in die Baugrube, weil er die reflektierende gelbe Fahrbahnmarkierung nicht beachtet hat, kommt ein Mitverschulden von 50 % in Betracht. (amtliche Leitsätze) Anmerkung des Autors: Dieses Urteil des KG Berlin dreht sich um die Verkehrssicherungspflichten für eine Baugrube in der Straßenmitte. Das Gericht kam zum Ergebnis, dass sich die Baustelle in einem verkehrswidrigen Zustand befand, da angesichts des in den Leitsätzen geschilderten Zustandes die Anbringung von Warnbaken mit Signalleuchten erforderlich gewesen wäre. Ein hälftiges Mitverschulden des Fahrzeugführers wurde aufgrund dessen überhçhter Geschwindigkeit und der Nichtbeachtung der Fahrbahnmarkierung angenommen. V. Ausgewählte Entscheidungen zur Verkehrssicherungspflicht, im Straßenverkehr Deichmann+Fuchs . Business Solutions 101
21. Alleinhaftung eines Rennradfahrers bei unbefugter Straßennutzung (OLG Hamm, Beschluss vom 29. 10. 2013 – I-9 U 135/13, NJOZ 2014, 1224) 1. Die durch Absperrschranken und Verkehrszeichen begründete Beschränkung des Verkehrs in einem Baustellenbereich führt dazu, dass der Schutz der dort zu beachtenden Verkehrssicherungspflichten auf die Personen beschränkt ist, die sich berechtigterweise in dem Baustellenbereich aufhalten. Unbefugten Besuchern gegenüber wird der Verkehrssicherungspflicht im Regelfall bereits durch das Betretungsbzw. Durchfahrtsverbot genügt. 2. Nur wenn der Verantwortliche wusste oder zumindest damit rechnen musste, dass sich auch unbefugte Verkehrsteilnehmer in dem Baustellenbereich aufhalten, kçnnen ausnahmsweise Verkehrssicherungspflichten auch gegenüber diesen Personen bestehen. (amtliche Leitsätze) Anmerkung des Autors: In diesem Beschluss des OLG Hamm geht es um Schadensersatzansprüche aus einem Rennradunfall. Der Kläger fuhr dabei auf einem durch Absperrschranken für den Verkehr gesperrten Weg und behauptete, dass er in eine Baugrube fiel und dadurch verletzt wurde. Er nahm das für die Baustelle verantwortliche Bauunternehmen in Anspruch. Ein Anspruch des Klägers wurde jedoch verneint, da seine Verletzungen nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten verursacht worden. Da die Zufahrt zur Baustelle für den çffentlichen Verkehr ordnungsgemäß gesperrt war, hatte das beklagte Bauunternehmen seiner Verkehrssicherungspflicht Genüge getan. V. Ausgewählte Entscheidungen zur Verkehrssicherungspflicht, im Straßenverkehr 102 Deichmann+Fuchs . Business Solutions
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