Weiterleitung geschäftlicher E-Mails auf den privaten E-Mail-Account kann einen wichtigen Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung darstellen

Nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO stellt einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar. Die Weiterleitung von E-Mails mit sensiblen Daten an den privaten E-Mail-Account aber schon.

Sachverhalt

Der Kläger wurde mit Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten für 5 Jahre zum Vorstand der Beklagten bestellt.

Im Vorstandsdienstvertrag war festgehalten, dass der Vorstand sich dazu verpflichtet, alle betrieblichen Angelegenheiten und Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm während und im Rahmen seiner Tätigkeit für die Gesellschaft oder mit in der …-Gruppe verbundenen Unternehmen bekannt werden, vertraulich zu behandeln, unabhängig davon, ob sie als vertraulich gekennzeichnet oder offensichtlich als vertraulich erkennbar sind. Diese Verpflichtung sollte auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses weitergelten.

Zu den vertraulichen Informationen im Sinne dieser Vereinbarung zählten insbesondere Informationen von Geschäftspartnern, Know-How, Kalkulationen, Adressdaten, Arbeitsergebnisse in Bezug auf Kunden oder Projekte, die nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich sind und der Allgemeinheit erkennbar nicht bekannt werden sollen. Vertrauliche Informationen durften nicht ohne Genehmigung des Aufsichtsrats und der gegebenenfalls betroffenen Unternehmen weitergegeben werden. Die Verletzung dieser Geheimhaltungspflicht wurde als ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Vertrags festgelegt.

Während seiner Vorstandstätigkeit verschickte der Kläger verschiedene E-Mails mit sensiblen Daten (z. B. Gehaltsabrechnungen, Provisionszahlungen, Umsatzerlöse und Spesenübersichten) von seinem dienstlichen an seinen privaten E-Mail-Account.

Anlässlich der Durchsicht diverser Unterlagen fiel einem neu bestellten Vorstandsmitglied der Beklagten auf, dass der Kläger die oben bezeichneten E-Mails an seine private Mailadresse weitergeleitet hatte und forderte diesen zur Stellungnahme auf.

In seiner Stellungnahme bestätigte der Kläger, dass einige E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet, diese Informationen aber nicht missbraucht habe. Der einzige Zweck habe darin bestanden, den Überblick über wichtige Aktivitäten zu behalten. Er habe keinerlei Informationen an Dritte weitergegeben und alle Daten seien jederzeit physisch und elektronisch vor Dritten geschützt gewesen.

Daraufhin beschloss der Aufsichtsrat der Beklagten, den Kläger mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund aus dem Vorstand der Beklagten abzuberufen. Außerdem beschloss der Aufsichtsrat der Beklagten, den Vorstandsdienstvertrag des Klägers mit der Beklagten aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos zu kündigen und den Aufsichtsratsvorsitzenden zu ermächtigen, eine außerordentliche Kündigungserklärung zur Beendigung des Vorstandsdienstvertrags des Klägers mit der Beklagten im Auftrag des Aufsichtsrats der Beklagten zu unterzeichnen.

Vor dem Landgericht München trug der Kläger vor, dass es sowohl für den Widerruf der Organstellung als auch für die außerordentliche fristlose Kündigung an einem wichtigen Grund fehle. Das Weiterleiten der E-Mails an seine private E-Mail-Anschrift führe angesichts der von ihm vorgenommenen umfassenden Sicherung auch seines privaten E-Mail-Accounts gegen den Zugriff Dritter nicht zu Geheimnisschutz- oder Datenschutzverstößen, nachdem nur er die Kennwörter kenne und auch nur er zugriffsberechtigt sei. Diese Praxis habe er mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden vereinbart. Seine geschäftlichen Informationen habe er nicht heimlich oder in Unkenntnis der Beklagten an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Zu keinem Zeitpunkt habe er vertrauliche Informationen weitergegeben oder die Informationen zu betriebsfremden Zwecken verarbeitet. Aufgrund besorgniserregender Veränderungen im Betrieb der Beklagten habe er nur solche E-Mails weitergeleitet, die aus seiner Sicht unentbehrlich gewesen seien, um später beweisen zu können, keine haftungsbegründenden Fehler begangen zu haben.

Der Kläger beantragte daher, den Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten auf Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied der Beklagten für unwirksam zu erklären und festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Vorstandsanstellungsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist.

In seinem Urteil vom 22.12.2022, Az. 5 HK O 14476/21, stellte das Landgericht München I fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Vorstandsanstellungsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden sei. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) München ein.

Auszüge aus dem Urteil des OLG München

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund, geeignet ist. Als wichtiger Grund ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dabei neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet.

Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Vorstands wird in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG geregelt, der stipuliert, dass Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren haben. Da diese Vorschrift zwingendes Recht ist, kann sie nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Die in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG normierte Verschwiegenheitsverpflichtung kann aber auch nicht durch Satzung, Geschäftsordnung oder Anstellungsvertrag erweitert werden, wie sich aus § 23 Abs. 5 AktG ergibt. Stellt also die Weiterleitung der streitgegenständlichen E-Mails an den privaten E-Mail-Account des Klägers keine Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG dar, so ist unbeachtlich, wenn der Kläger gegen etwaig weitergehende Verpflichtungen aus einem Dienstvertrag verstoßen haben sollte.

Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei „vertrauliche(n) Angaben und Geheimnisse(n) der Gesellschaft“ iSd. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG um nicht allgemein bekannte (offenkundige) Tatsachen, an deren Geheimhaltung ein objektives Interesse des Unternehmens besteht.

Alle vom Kläger weitergeleiteten streitgegenständlichen E-Mails bezogen sich auf „betriebliche Angelegenheiten“ und beinhalteten keine offenkundigen Tatsachen.

Ob auch ein objektives Geheimhaltungsinteresse der Beklagten an diesen Tatsachen bestand, kann dahinstehen, da es jedenfalls an einer Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG durch den Kläger fehlt. Wann eine Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG vorliegt, ergibt sich aus dem objektiven Tatbestand des § 404 AktG, der Verletzungen der Verschwiegenheitsverpflichtung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG sanktioniert. Demzufolge ist die Verschwiegenheitsverpflichtung verletzt, wenn ein Geheimnis der Gesellschaft unbefugt offenbart (§ 404 Abs. 1 AktG) oder verwertet (§ 404 Abs. 2 Satz 2 AktG) wird. Offenbart wiederum wird ein Geheimnis, wenn es jemandem, der dieses Wissen noch nicht hat (Unbefugter), mitgeteilt oder sonst in einer Weise zugänglich gemacht wird und er somit die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält. Die Art und Weise der Preisgabe ist irrelevant. Es kommt allein darauf an, dass der Adressat die nicht mehr abschirmbare Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Diese Voraussetzungen sind im streitgegenständlichen Fall durch die Weiterleitung der E-Mails an den privaten E-Mail-Account des Klägers nicht erfüllt, da der Kläger den Inhalt der E-Mails unstreitig keinem Dritten mitgeteilt oder zugänglich gemacht hat. Die Speicherung auf einem E-Mail-Server reicht hierfür nicht aus. Auch eine Verwertung der Geheimnisse durch den Kläger ist unstreitig nicht erfolgt.

Auch wenn der Kläger nach alledem nicht gegen die ihm als Vorstand obliegende aktienrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung aus § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG verstieß, so hat er doch durch die Weiterleitung der streitgegenständlichen E-Mails gegen seine Sorgfaltspflicht, die in Gestalt der Legalitätspflicht vom Vorstand eigene Regeltreue fordert, verstoßen. Denn wie das Landgericht richtig annahm, stellt die Weiterleitung der E-Mails auf den privaten Account des Klägers und die dortige Speicherung eine Verarbeitung iSd. Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar, die nicht durch eine Einwilligung der betroffenen Personen gedeckt war (Art. 6 Abs. 1 lit a DSGVO). Diese Weiterleitung war auch nicht zur Wahrung der berechtigten Interessen des Klägers erforderlich (Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO). Gegen diese zutreffende rechtliche Wertung des Landgerichts hat die Berufung nichts erinnert, vielmehr hat der Kläger in seiner Berufungserwiderung/Anschlussberufungsbegründung sogar selbst eingeräumt, dass ihm nunmehr bewusst sei, dass eine Weiterleitung von dienstlichen E-Mails auf seinen privaten E-Mail-Account nicht zulässig sei.

Zwar ist nicht jeder Regelverstoß und damit auch nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung schon „an sich“ als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dies ist jedoch zumindest dann der Fall, wenn – wie streitgegenständlich – die unter Missachtung der Regelungen der DSGVO erfolgte Weiterleitung der E-Mails an den privaten E-Mail-Account des Klägers sensible Daten der Beklagten und anderer Dritter betrifft. Um solche sensiblen Daten handelte es sich vorliegend, da es in den E-Mails unter anderem um eine geldwäscherechtliche Bankanfrage, Provisionsansprüche von Mitarbeitern, Gehaltsabrechnungen eines früheren Vorstandsvorsitzenden, Planungen der Beklagten zur Verprovisionierung ihrer Mitarbeiter und Zuständigkeitsstreitigkeiten im Vorstand der Beklagten ging. Zu berücksichtigen war darüber hinaus, dass die Weiterleitung nicht ein singulärer Vorfall war, sondern neun E-Mails weitergeleitet wurden.

Die Weiterleitung der E-Mails wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Kläger – jedenfalls seiner Vorstellung nach – „nur solche E-Mails weiterleitete, die aufgrund der besorgniserregenden Veränderungen im Betrieb der Beklagten unentbehrlich waren, um später beweisen zu können, dass er selbst keine zur Haftung führenden Fehler begangen hat“. Denn für eine solche prophylaktische Selbsthilfe bestand keine Veranlassung. Solange der Kläger noch Vorstand war, hatte er qua Amt Zugriff auf die Unterlagen der Beklagten. Nach seiner Abberufung als Vorstand hat er dagegen einen Einsichtsanspruch aus § 810 BGB, soweit er Unterlagen der Beklagten für seine Verteidigung benötigen sollte, wobei der Kläger durch die die Beklagte treffenden handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten auch vor unzeitiger Vernichtung der Unterlagen hinreichend geschützt ist.

Nach alledem kann in der streitgegenständlichen Weiterleitung der E-Mails ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ liegen. Ein Vorstand ist demnach nicht anders zu beurteilen als ein Arbeitnehmer, dem es ohne Einverständnis des Arbeitgebers ebenso verwehrt ist, sich betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen.

Nach Feststellung, dass der streitgegenständliche Sachverhalt „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist, bedarf es der Prüfung, ob der Gesellschaft die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Dabei ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse der Gesellschaft an der sofortigen Beendigung des Vorstandsanstellungsvertrags gegen das Interesse des Vorstands an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind dabei u. a. regelmäßig die Schwere der Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Vorstands, das Ausmaß des Schadens, eine mögliche Wiederholungsgefahr, die Dauer des Vorstandsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf sowie die sozialen Folgen für das Vorstandsmitglied.

Zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen war, dass die von ihm weitergeleiteten Daten weder zur Kenntnis an Dritte gelangten noch die Beklagte wegen der Verstöße gegen die DSGVO sanktioniert wurde. Darüber hinaus handelte der Kläger auch nicht heimlich, sondern machte dadurch, dass er seine private E-Mail-Adresse in CC setzte, für die anderen am E-Mail-Wechsel Beteiligten erkennbar, dass er die E-Mails an seinen privaten Account weiterleitete. Daraus lässt sich entnehmen, dass er subjektiv der Ansicht war, dazu berechtigt zu sein.

Entgegen der Ansicht des Klägers wäre die von ihm behauptete, von der Beklagten mit Nichtwissen bestrittene und damit vom Senat unterstellte Absprache mit dem vormaligen Vorstandsvorsitzenden, „wichtige, seine (d. h. des Klägers) dienstliche Position betreffende“ E-Mails auf seinen privaten Account weiterzuleiten, nicht zu Gunsten des Klägers in die Abwägung einzustellen. Denn eine solche (unterstellte) Absprache innerhalb des Vorstands, entgegen den Vorgaben der DSGVO und damit gesetzeswidrig mit vertraulichen E-Mails umzugehen, entlastet den Kläger nicht. Der Vorstand kann sich nicht durch Absprache seiner Mitglieder untereinander von zwingenden Vorgaben der DSGVO dispensieren. Vielmehr ergibt sich aus der vom Kläger vorgetragenen Unrechtsabrede zweier Vorstände, dass die Datenschutzverstöße vom Kläger planmäßig und systematisch begangen wurden und es sich damit gerade nicht nur um eine einmalige Fehlleistung des Klägers handelt.

Entlastend könnte sich allenfalls auswirken, wenn der Aufsichtsrat der Beklagten von den praktizierten Datenschutzverstößen des Klägers in Form der Weiterleitung von E-Mails durch den Kläger auf seinen privaten E-Mail-Account Kenntnis gehabt hätte und diese gebilligt oder zumindest geduldet hätte. Davon kann zur Überzeugung des Senats jedoch keine Rede sein.

Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus der von ihm zu seiner Entlastung angeführten Weiterleitung einer E-Mail eines Aufsichtsratsmitglieds durch diesen an den privaten Account des Klägers keine Duldung von Seiten des Aufsichtsratsmitglieds ableiten. Denn ausweislich des E-Mail-Verlaufs war es auch hier der Kläger, der nach einem bereits mehrere Tage andauernden E-Mail-Wechsel, der zuvor von allen daran Beteiligten ausschließlich über dienstliche Accounts abgewickelt wurde, mit der von ihm verschickten E-Mail erstmals eine Kopie an seinen privaten E-Mail-Account sandte. Dass in der Antwort-E-Mail des Aufsichtsratsmitglieds der private E-Mail-Account des Klägers in CC gesetzt wurde, folgt aus der vorherigen Erweiterung des Verteilers durch den Kläger.

Auch die vom Kläger behauptete Praxis von Mitarbeitern der Beklagten, mittels privater E-Mail-Accounts miteinander auch in dienstlichen Angelegenheiten zu kommunizieren, kann das klägerische Vorgehen nicht in einem milderen Licht erscheinen lassen. Denn aus den streitgegenständlichen E-Mail-Verläufen und den vom Kläger darüber hinaus in Bezug genommenen E-Mails ergibt sich eine solche Praxis gerade nicht. Im Übrigen könnte eine solche (unterstellte) Praxis den Kläger auch nicht entlasten, da er als Vorstand gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht nur zu eigenem gesetzeskonformen Handeln verpflichtet war (Legalitätspflicht), sondern auch im Rahmen der ihm obliegenden Legalitätskontrollpflicht dafür Sorge zu tragen hatte, dass die Mitarbeiter der Beklagten gesetzeskonform und damit in Übereinstimmung mit der DSGVO agierten.

Dass – wie der Kläger vorträgt – keine Wiederholungsgefahr bestanden hätte, wenn der Kläger vom Aufsichtsrat auf die Rechtswidrigkeit seines Vorgehens hingewiesen oder deswegen abgemahnt worden wäre, weil er dann sein Verhalten geändert hätte, entlastet ihn ebenfalls nicht. Die Wiederholungsgefahr ergibt sich allein aus der erheblichen Anzahl weitergeleiteter E-Mails (neun E-Mail-Verläufe innerhalb von etwas mehr als zwei Monaten) und dem systematischen Verhalten des Klägers.

Auf eine vom Kläger behauptete Änderung seines Verhaltens im Falle einer Abmahnung durch die Beklagte kann sich der Kläger nicht berufen, da nach der Rechtsprechung des BGH eine Abmahnung eines Vorstands vor dem Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Vorstandsdienstvertrags auch nach der Schuldrechtsreform gerade nicht erforderlich ist. Im Übrigen hat der Senat – obwohl es demnach entscheidungserheblich gar nicht mehr darauf ankommt – im Hinblick auf die vom Kläger abgegebene Stellungnahme erhebliche Zweifel an einer Verhaltensänderung. Denn in der E-Mail entschuldigt und relativiert der Kläger seine Rechtsverstöße nach seiner Überführung damit, dass er die streitgegenständlichen E-Mail-Verläufe ja auch hätte ausdrucken können und dies mittlerweile auch getan habe, was natürlich genauso wenig zulässig ist wie die vorangegangene Archivierung in elektronischer Form. Letztendlich erklärte der Kläger damit nur, dass er einen Datenschutzverstoß durch einen anderen genauso gravierenden perpetuiert habe.

Zu Lasten des Klägers war in die Abwägung miteinzustellen, dass die weitergeleiteten E-Mails äußerst sensible Daten (Provisionspläne, Gehalts- und Provisionsabrechnungen, Compliance-Vorgänge, Auseinandersetzungen zwischen Vorständen der Beklagten) enthielten, an deren Vertraulichkeit die Beklagte ein sehr hohes Interesse hatte und die sich auch nicht nur auf das Verhältnis zwischen den Parteien bezogen, sondern darüber hinaus auch Dritte betrafen, die davon ausgehen konnten, dass ihre Daten nicht auf private E-Mail-Accounts wie dem des Klägers gelangten.

Zu Lasten des Klägers war darüber hinaus in die Abwägung einzustellen, dass es sich nicht um ein singuläres Fehlverhalten, sondern um ein – nach dem eigenen Vortrag des Klägers – offenbar mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden abgesprochenes systematisches Vorgehen des Klägers handelte. Dafür spricht auch die mit neun relativ hohe Anzahl von streitgegenständlichen E-Mail-Verläufen in einem Zeitraum von nur gut zwei Monaten.

Gegen den Kläger war auch zu werten, dass es nach dem eigenen Vortrag des Klägers erklärtes Ziel der von ihm begangenen DSGVO-Verstöße war, Material für die Verbesserung seiner Argumentationsbasis in vom Kläger offensichtlich erwarteten Haftungsprozessen der Beklagten gegen ihn zu sammeln, die Rechtsbrüche also ausdrücklich gegen die Beklagte gerichtet waren.

Bei einer Zusammenschau aller dieser Umstände und unter Abwägung der Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Vorstandsdienstverhältnisses bis zum Auslaufen des Vorstandsdienstvertrags einerseits und der Beklagten an der schnellstmöglichen Beendigung des Dienstverhältnisses andererseits ist der Senat der Ansicht, dass es der Beklagten nicht zumutbar war, nach Feststellung der Rechtsverstöße des Klägers noch weitere elf Monate mit diesem als ihrem Vorstand zusammenzuarbeiten. Dies stützt der Senat insbesondere darauf, dass es um eine Vielzahl von höchst sensiblen Daten der Beklagten und Dritter ging und gleichzeitig das DSGVO-widrige Weiterleiten nach dem eigenen Vortrag des Klägers ausschließlich der Vorbereitung einer erwarteten gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien dienen sollte. Es ist nicht ersichtlich, wie unter solchen Umständen die Beklagte noch das notwendige Vertrauen in den Kläger haben sollte, dass dieser mit seinen Handlungen – wie nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG geboten – „zum Wohle der Gesellschaft“ handelt, wenn der Kläger zuvor in rechtswidriger Weise systematisch Material gegen die Beklagte zu deren Nachteil sammelt. Ohne ein solches Vertrauen konnte der Beklagten aber nicht zugemutet werden, über den noch erheblichen Zeitraum von mehr als elf Monaten bis zum Auslaufen des Vorstandsdienstvertrags mit dem Kläger als ihrem Vorstand zusammenzuarbeiten. Daran ändern auch die zum Kündigungszeitpunkt bereits recht lange dauernde erfolgreiche Vorstandstätigkeit des Klägers für die Beklagte und die anderen für den Kläger zu berücksichtigenden Umstände nichts.

Aus den oben bezeichneten Gründen liegt in der Weiterleitung der neun streitgegenständlichen E-Mail-Verläufe auf den privaten E-Mail-Account des Klägers durch ihn ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche fristlose Kündigung des Vorstandsdienstvertrags. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche fristlose Kündigung des Vorstandsdienstvertrags bildet jedoch immer auch einen wichtigen Grund für die Abberufung des Vorstands iSd. § 84 Abs. 4 Satz 1 AktG, da die Voraussetzungen, unter denen eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden darf, enger gezogen sind als der Kreis der Gründe, die den Widerruf der Organstellung erlauben.

Der Widerruf muss nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgen, er unterliegt nur der Verwirkung. Eine solche ist nicht eingetreten, da wie oben unter I 1 ausgeführt, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten ist und vor deren Ablauf eine Verwirkung aufgrund Zeitablaufs ohnehin nicht angenommen werden kann.

Fundstelle:

Urteil des OLG München vom 31.07.2024 – 7 U 351/23 e – abrufbar im Internet beispielsweise unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2024-N-22085?hl=true

Tags: Datenschutz